Fraktionschef Heeb: Die Gemeinde Grafschaft muss neue Wege gehen

„Die Einnahmen steigen, die Ausgaben ebenfalls. Wohin geht die Reise?“ Dieser Frage geht Mathias Heeb, Vorsitzender der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Gemeinderat Grafschaft, in einer Rede anlässlich der Verabschiedung des Gemeindehaushalts für das Jahr 2011 nach:

Viele Ausgaben werden von außen gesteuert, wir haben keinen Einfluss auf solche Veränderungen. Daher liegt nahe, dass es dringend Zeit ist, über die Finanzen der Kommunen nachzudenken und diese zu reformieren. Es kann nicht sein, dass die Kommunen immer weiter Aufgaben bekommen und diese finanzieren müssen. Dass es dem Kreis nicht besser geht, ist bekannt, deswegen ist die Erhöhung der Kreisumlage nicht verwunderlich.

Zum Haushalt der Gemeinde Grafschaft ist zu sagen, dass hier einige Maßnahmen nach Meinung der Grünen nicht notwendig sind und durchaus auch später vollzogen werden sollten, wenn es die Kassenlage zulässt. Straßenbaumaßnahmen, Sportplätze und weitere Dorfgemeinschaftshäuser gehören zu diesen Maßnahmen, die durchaus kritisch zu betrachten sind. Sicher gehören solche Maßnahmen zur sogenannten Daseinsvorsorge. Mit dieser ist jedoch schnell vorbei, wenn wir als Gemeinde fremd gesteuert werden, wenn wir nicht mehr über unseren Haushalt bestimmen, sondern einen übergeordnete Stelle. Letztlich müssen die Schulden irgendwann zurückgezahlt werden. Jedoch sind nicht alle Investitionen so einzuordnen, wir sind ja nicht nur DAGEGEN.

Investitionen sind für die Zukunft – und unsere besten Investitionen sind die für unsere Kinder. Schule und Kindergarten sind nach unserer Meinung absolut als vorrangig anzusehen. Und wenn wir in diesem Zusammenhang über demografischen Wandel sprechen, so bietet er uns eine Chance – für kleinere Klassen und damit bessere Fördermöglichkeiten – mit „kurzen Wegen für kurze Beine“ (Schulbusse kosten auch Geld und Umwelt).

Bildung gibt es nicht zum Nulltarif. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass uns vorgeworfen wurde, wir seien nicht bodenständig, Politik müsse verlässlich sein, so der Originalton der CDU. Wie sieht es dann mit der Mensa in Gelsdorf aus? Sie wird geopfert für ein Projekt, was vor zwei Monaten noch nicht auf der Tagesordnung war und die 50 Kinder sollen weiter täglich im Provisorium essen.

Wir als Gemeinde Grafschaft sollten uns vielmehr auch Gedanken machen, wie können wir unsere Gemeinde attraktiver gestalten, wie können wir unsere Einnahmen erhöhen und dies nicht mit weiterem Raubbau an Flächen. Seit dem Jahr 2005 hat Rheinland-Pfalz 46.000 weniger Einwohner, wurden 30.000 neue Gebäude neu gebaut und 1200 Kilometer Kanal in Rheinland-Pfalz neu zusätzlich gebaut. Unsere Gemeinde ist gut beraten, durch Erfassen der Leerstände die entsprechenden Flächen neu zu beleben, um das Entstehen von Schrottimmobilien zu vermeiden. Anstatt Bauflächenexpansion muss die Eigentumsbildung im Dorfzentrum zu moderaten Immobilienpreisen gefördert werden.

Geburtenrückgang und Bevölkerungsbewegungen erfordern eine konsequente Konzentration auf die Innenentwicklung des Ortes durch Modernisierung und Umnutzung erhaltenswerter Bausubstanz. Letztlich durch die Alterung der Bevölkerung steigt auch in den Dörfern der Bedarf an alten- und pflegegerechtem Wohnraum. Baumaßnahmen für unterschiedliche Formen eines betreuten Wohnens sollten wieder in das Zentrum der Orte gerückt werden, möglichst verbunden mit öffentlichen Einrichtungen wie Kindergarten und Grundschule, aber auch mit Gaststätte und Dorfladen.

Die Fragen des Klimawandels und der erneuerbaren Energien werden die Kommunen in Zukunft beschäftigen, auch wenn hier die schwarz-gelbe Regierung sich auf den Weg ins letzte Jahrhundert gemacht hat. Mit dem Ausstieg aus dem Ausstieg hat sie die Stadtwerke, die von Kommunen in einer verlässlichen Politik nach vorne gebracht wurden, abgewürgt und zurückgeworfen. Kommunen machen sich auf den Weg zu neuen Einnahmen für sich und ihre Bürger, dies kann und wird auch im Bereich Energie möglich sein.

Auch in der Gemeinde Grafschaft muss man darüber nachdenken, Konzepte anzugehen im Bereich Energie. Im Bereich erneuerbare Energien liegt die Zukunft, auch wenn wir den Bereich von Arbeitsplätzen ins Blickfeld nehmen. Es muss uns gelingen, hier Unternehmen zu gewinnen, zu investieren. Die Gemeinde ist nicht anderes mehr als ein Unternehmen. Wir müssen über Möglichkeiten nachdenken, hier Gewinne zu erwirtschaften, die nachhaltig und auf lange Sicht hin zu generieren sind. Investitionen in Solar- und Windenergie sind Möglichkeiten zu einer Region mit 100% Erneuerbaren zu werden und somit für die Bürger uns unabhängig zu machen von fossilen Energien und anderen Energienkonzernen und Monopolisten.

Für uns Grüne ist es daher keine Frage, dass wir im Bereich der Stromkonzession das Beteiligungsmodell absolut favorisieren. In diesem Bereich werden wir neue Impulse setzen, um die Finanzen der Gemeinde nachhaltig zu gestalten und zu verbessern. Wer glaubt, dass die Finanzen nur durch andere, den Staat oder das Land geregelt werden können, und darauf wartet – der verschwendet seine Zeit.

Vier Millionen Schulden für 2011 – wir werden dem gesamten Haushalt so nicht zustimmen können. Schließlich widerspricht er in einigen Bereichen unseren Ansichten, die ich im Vorfeld angesprochen habe. Es werden hier Investitionen angestoßen, deren Folgen wir nicht beziffern können. Die Folgen liegen in Maßnahmen der Renovierung und Instandsetzung, auch die Abschreibungen steigen jedes Jahr, da immer mehr Werte hinzukommen. Daher möchten wir die Investitionen im IVP in bestimmten Bereichen einzeln abstimmen.

Wir danken an dieser Stelle insbesondere der Verwaltung, die in vielen Bereichen sehr gute Arbeit leistet. Die Mitarbeiter sind hilfsbereit und offen für Gespräche und Fragen, auch wenn wir Grüne manchmal etwas nerven. Unser Bürgermeister macht nach unserer Meinung einen guten Job, leider entsteht manchmal der Eindruck, dass bestimmte Personen insbesondere ihm nicht genau zuhören oder zuhören wollen, was zu vermeidbaren Verwirrungen führt.

Wie sehen es die Bürger der Grafschaft, wie wir Politik machen, wie wir die Gelder der Bürger verwenden? Auch hier sehen wir Nachholbedarf, den Bürgern mehr Mitspracherechte einzuräumen. Im Fall Sportplatz Vettelhoven war es im Grunde fast auch schon zu spät, den Ortsbeirat und auch die Sorgen der Bürger einzubringen. Wir sollten uns bei größeren Investitionen grundsätzlich früher Gedanken machen und die Bürger mehr einbinden in solche Investitionen.

Der Haushalt 2011 besteht zu einem großen Teil aus Ausgaben, die im Grunde nicht eingespart werden können und dürfen. Der Einsparung im Bereich Personal sehen wir keine Lösung. Wir dürfen und sollten auch die Aufgabe der Kommune als Arbeitgeber nicht unterschätzen. Klar kann man Menschen auf die Straße setzen und somit Geld einsparen. Nur ist die Frage, ob Sie uns dann nicht mehr kosten und letztlich auch fehlen. Die Ausgaben lassen sich nur bedingt reduzieren.

Uns bleibt nur die Möglichkeit, unsere Einnahmen sinnvoll zu erhöhen, dies unter anderem in den Bereichen Energie, Tourismus, regionale Vermarktung, Naherholung und attraktiver Gestaltung unserer Gemeinde als Lebensraum für Mensch und Natur. Wir sind bereit, neue Wege zu gehen in eine Zukunft, die nicht rückwärts gewandt ist in Denkstrukturen des 19. Jahrhunderts. Wir wollen Mitgestalten und verändern.

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