Deutschland Bildungssystem hat ein Modernisierungsproblem

„Die aktuell mal wieder hochkochende Diskussion über die Abschaffung des Sitzenbleibens offenbart erneut typisch ideologische Argumentationsmuster: Mit der künstlich geschürten Angst, dass mit der Abschaffung des Sitzenbleibens auch gleich die Noten und das dreigliedrige Schulsystem mit über Bord gehen, versucht die CDU im Wahlkampf Teile der Bevölkerung aufzuschrecken“, sagt der Pädagoge und Geschäftsführer des Grünen Kreisverbands, Harm Sönksen.

„Klar ist: Eine Abschaffung des Sitzenbleibens ist nur dann sinnvoll, wenn das System Schule sich ändert. Eine Modernisierung des gesamten Systems Schule muss den einzelnen Schüler mit seinen individuellen Kompetenzen in den Mittelpunkt stellen.“

Vom Sitzenbleiben selbst profitiert niemand und am wenigsten die Betroffenen selbst. Das soll nun an zehn Modellschulen in Rheinland Pfalz erprobt werden. Der individuelle Lernfortschritt eines Schülers muss der Maßstab für seinen Erfolg werden und nicht das Erfüllen einer Norm am Ende des Schuljahres. Bislang funktioniert Schule nach dem Prinzip, dass alle Schüler an einen vorgegebenen, einheitlichen Standard angeglichen werden. Doch das scheint jener Teil der Christdemokraten, der vor einer „Einheitsschule“ warnt, auszublenden. Richtig ist: Der persönliche Lernfortschritt lässt sich nicht an einer allgemein festgelegten Norm messen.

„Erfolgreich lernt nur derjenige, der erfahren darf, dass er durch Selbstdisziplin die eigenen Ziele erreichen kann. Er muss einsehen, dass Lernen sein Glück vermehrt, weil es ihm Anerkennung und Erfolg in der Sache bringt. Eine solche Einsicht erzeugt Sitzenbleiben aber selten“, erläutert Sönksen. Mit Zielen sind hier keine Noten oder das Erreichen eines Klassenziels gemeint, sondern kleinstufigere Ziele wie zum Beispiel individuelle Wochenpläne, Projektergebnisse oder die eigenen Arbeitsergebnisse an einer Gruppenarbeit.

Ein zweites Puzzlestück um gezielt die schwächeren Schüler bei der Erreichung ihrer Ziele zu unterstützen könnten individuelle Förderbausteine in den Hauptfächern sein, in denen zum Beispiel in den Fächern Mathematik und Deutsch Grundlagen wie Grundrechenarten, Prozentrechnen, Dreisatz, Rechnen mit Größen sowie Rechtschreibung, aber auch Schönschreiben und Präsentationstechniken durch Fachlehrer angeboten werden.

Das Ziel der Schule ist es die Schüler zu befähigen sich auf die stets wandelnden Anforderungen des Berufs und des Lebens immer wieder neu einstellen zu können. Ob es die Erfahrungen des Sitzenbleibens dabei eine große Hilfe ist, ist fraglich.

„Wenn Schüler zu Pro und Contra des Sitzenbleibens befragt werden, sind viele in der Tat dafür, am Sitzenbleiben festzuhalten. Sie antworten allerdings aus ihrer eigenen Schulerfahrung heraus: Denn unser heutiges Schulsystem produziert unmotivierte Schüler, die in den Augen der leistungsbereiten Schüler „mitgeschleppt“ werden“, befindet Sönksen. „Das zeigt: Eine negative Lernmotivation führt nie zum Lernerfolg. Unser Ziel muss es daher sein über die gesamte Schullaufbahn hinweg alle Schüler zu motivieren, dann erübrigt sich auch die Frage des Sitzenbleibens.“

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