„Demokratie nicht unterlaufen“ – Ska Keller in Remagen

Ska in Remagen - Gruppenbild
Ska in Remagen - Gruppenbild - Foto: Robert Kolle

Die Europäische Kommission verhandelt derzeit in Brüssel und Washington über ein europäisch-amerikanisches Freihandelsabkommen. Dieser „TTIP“ abgekürzte Vertrag soll den Handel einfacher machen und zu mehr Wohlstand führen. Dafür sollen die Europäer auf wichtige Standards im Verbraucherschutz verzichten. Hormonfleisch, gentechnisch veränderte Lebensmittel oder auch das Konservieren von Fleisch durch Chlorbehandlung würden dann in Deutschland zur Regel gehören müssen, so die TTIP-Kritiker. Hinzu kommt, dass Bundestag, Bundesrat und selbst das Bundesverfassungsgericht keine neuen Vorstöße zur Stärkung des Verbraucherschutzes mehr unternehmen dürften.

Deutliche Worte fand daher die Grünen-Europa-Abgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der Grünen Parteien im Europäischen Parlament Ska Keller in Remagen gegen das geplante Freihandelsabkommen. Ska Keller, die bei den letzten Europa-Parlamentswahlen auch Spitzenkandidatin der europäischen Grünen war, wehrte sich bei ihrer Rede am Sonntag in der Studierenden-Kneipe „Baracke“ in Remagen vor allem gegen das Aushebeln aller demokratischen Prinzipien durch die Einführung von privaten Schiedsstellen an Stelle der bestehenden ordentlichen Gerichte.

Ska Keller in Remagen
Ska Keller in Remagen – Foto: Robert Kolle
Bei diesen Schiedsgerichten gehe es darum, Ansprüche von internationalen Unternehmen etwa gegen die Bundesrepublik Deutschland nicht mehr vor ordentlichen Gerichten verhandeln zu können, sondern vor privaten Schiedsstellen aus hoch bezahlten Rechtsanwälten. Gegen deren Entscheidungen solle eine Revision nicht möglich sein. Als Beispiel verwies Ska Keller auf den Versuch des schwedischen Energie-Monopolisten Vattenfall, die Bundesrepublik auf mehr als vier Milliarden Euro zu verklagen, weil dem Konzern durch den Atomausstieg angeblich ein solcher Betrag als Gewinn entgangen sei. Ähnliche Miliardenklagen gäbe es seitens der Tabakindustrie, weil einzelne Länder die Tabakwerbung eingeschränkt hätten oder seitens der Ölkonzerne, weil z.B. Kanada das Fracking (Förderung von Erdgas oder Erdöl durch das Einpressen von Chemikalien) verboten hätte.

Die Referentin wehrte sich aber auch gegen eine Reihe von anderen Bestimmungen im Rahmen des Freihandelsabkommens. So gelte in den USA bei Chemikalien das Prinzip genereller Zulässigkeit, so lange nicht das Gegenteil bewiesen sei. So seien in Amerika zahlreiche hochgiftige Stoffe nicht verboten, die in Europa seit langen Jahren wegen ihrer Gefährlichkeit nicht mehr verkauft werden dürfen. Kritik äußerte die Grünen-Sprecherin auch an Überlegungen, im Dienstleistungsbereich grundlegende Veränderungen einzuführen. So könnten wichtige, bisher von Städte und Gemeinden ihren Bürgern bereitgestellte Leistungen wie die Trinkwasserver- und die Abwasserentsorgung oder die Müllabfuhr zukünftig nur noch in Konkurrenz mit Privatbetrieben zulässig sein. Dies würde nach den Erfahrungen einiger Länder mit dieser Art der „Liberalisierung“ die Gebühren deutlich erhöhen und die hohen Qualitätsstandards senken.

In diesem Zusammenhang wies auch Grünen-Fraktionssprecher Frank Bliss auf das geplante Verbot von Quersubventionierungen von kommunalen Leistungen hin. Überschüsse aus einem Betriebszweig einer Stadt (zum Beispiel in Remagen die Kripper Fähre) dürften nicht zur Finanzierung eines defizitäre anderen Bereichs (etwa des Remagener Freizeitbades) verwendet werden. Dies würde aber die Zukunft des Schwimmbades aufgrund der dann hohen jährlichen Betriebsverluste in Frage stellen.

Eine völlige Liberalisierung des Handels hätte auch Auswirkungen auf regionale Produkte, deren Schutz aufgegeben werden müsste. So würden „Nürnberger Würstchen“ zukünftig aus Washington kommen dürfen, dasselbe gelte für die bekannten „Spreegurken“, betonte Ska Keller. In diesem Zusammenhang warf der Grünen-Landtagsabgeordnete Wolfgang Schlagwein ein, dass vermutlich auch der „Ahrwein“ nicht mehr geschützt werden dürfte und folglich auch in Kalifornien hergestellt werden könnte.

Ganz besonders wurde in der anschließenden Diskussion von den zahlreichen Gästen kritisiert durch das TTIP letztendlich die Demokratie ausgehebelt würde. Nicht etwa die nationalen Parlament sollten über den Text des Freihandelsabkommens entscheiden dürfen, sondern alleine der Europäische Rat in Brüssel. Ska Keller bemerkte in diesem Zusammenhang, dass auch die Rechte des Europäischen Parlaments im TTIP-Verhandlungsprozess nahezu auf Null gedrückt worden seien. So würden selbst den gewählten Abgeordneten des Europa-Parlamants die bisherigen Verhandlungsergebnisse mit den USA komplett vorenthalten.

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