CDU mag keinen Zukunftsdialog mehr

Schätzchen aus dem Archiv: KEP aus den 60er Jahren

Eine Mehrheit unter Führung der CDU hat es im Kreistag abgelehnt, das inzwischen 17 Jahre alte Kreisentwicklungsprogramm aus dem Jahr 2001 („Zukunft AW21“) fortzuschreiben. Bündnis 90/Die Grünen hatten beantragt, für den Kreishaushalt 2019 einen entsprechenden Haushaltsansatz vorzubereiten.

„CDU und Landrat geben sich derzeit demonstrativ bienenfreundlich. Gleichzeitig wollen sie aber auch neue Gewerbeflächen, weitere Baugebiete, zusätzliche ‚Umgehungsstrassen’ oder ‚Lückenschlüsse’, mehr Platz für Hochwasser- und Klimaschutz und, natürlich auch, Flächen zur Gewinnung Erneuerbarer Energien im Kreisgebiet. Und, und, und… . Da wäre jetzt ein breiter und moderierter Dialog mit den lokalen Akteuren dringend geboten, wie das denn im Ahrkreis in Zukunft alles zusammengehen soll. Aber aktuell scheut die CDU leider einen solchen Beteiligungsprozess auf Kreisebene“, stellt Fraktionssprecher Wolfgang Schlagwein nach der Kreistagssitzung fest.

Das 2001 beschlossene Kreisentwicklungsprogramm hatte noch der frühere Landrat Joachim Weiler auf den Weg gebracht, mit einer für die damalige Zeit breiten Beteiligung von Verbänden und Vereinen.
„Statt es angesichts neuer Herausforderungen fortzuschreiben, wird es jetzt auf dem damaligen Stand eingefroren. Damit bricht die CDU derzeit mit einer  langen Tradition im Kreis“, bedauert Schlagwein

nachfolgende das Redemanuskript aus der Kreistagssitzung von Wolfgang Schlagwein:

Wolfgang Schlagwein

B90/Die Grünen

Kreistagssitzung am 26.10.2018

 

Zukunft AW – Fortschreibung des Kreisentwicklungsprogramms aus 2001 in einem breiten Beteiligungsprozess

Den Faden nicht abreißen lassen!

Anrede,

Sie haben, Herr Landrat,  die Tagesordnung sehr klug aufgebaut. Sie ermöglicht es, die vorausgehenden Tagesordnungspunkte in dem Antrag unserer Fraktion zur Fortschreibung des KEP zusammenzuführen und weiterzuentwickeln.

Um mit der Artenvielfalt zu beginnen:

Der Antrag der FWG stand ja in der Vorberatung für einen kurzen Moment auf der Kippe, als jemand auf den Gedanken kam, auch der Wolf könne jetzt im Kreis AW in den Genuss der neuen Fürsorge des Kreistages für die biologische Vielfalt kommen. Die antragstellende Fraktion hat den Wolf darauf hin schnellstens und weitestgehend von sich gewiesen.

Uns fallen natürlich sofort weitere, von Fall zu Fall besonders unbeliebte Tierarten ein: die Mopsfledermaus, der Feldhamster, das Haselhuhn oder die Wildbiene, die einst der kürzlich eingeweihten B266 im Wege stand.

Anderes Beispiel, gleiches Problem: Sie haben, Herr Landrat, unlängst an die Gemeinden appelliert, „neue großflächige Gewerbeflächen auszuweisen“, und zwar „dort, wo es möglich ist“.

Aber wo ist es denn möglich? Wer entscheidet das und wer darf da mitreden?

Die CDU-Fraktion im Gemeinderat Dernau darf selbstverständlich mitreden.

Sie tut das auch und fordert: Mehr Platz für zukünftiges Hochwasser“ (RZ 14.9.2018). Für Hochwasser können Sie auch „neues Baugebiet“ einsetzen.

Mitreden darf auch der Ortsbeirat Bodendorf, der für eine neue B266 eine Tunnellösung ins Gespräch bringt.  Der Ortsbeirat Lohrsdorf wird folgen.

Hier baue ich gerne Landrat Dr. Pföhler ein, der im KUA zur interkommunalen Kooperation in der Region  eine wichtige Bemerkung machte:

Die neuen Gewerbegebiete dürften, so wörtlich, „nicht zu mehr Autoverkehr führen“.

Erwähnen will ich noch das Ziel des Kreistages und inzwischen auch der Gemeinden, die Erneuerbaren Energien auszubauen, also die Energieerzeugung auf die Flächen vor unserer Haustür zurückzuholen. Aber: die Flächen sind knapp.

Um  mit diesen und vielen anderen widerstreitenden Interessen und Konflikten umzugehen, hat der Kreistag 2001, und zwar  nach einem für damalige Verhältnisse umfangreichen Beteiligungsprozess ein Kreisentwicklungsprogramm beschlossen.

Es ist an der Zeit, diesen Faden aufzunehmen, mit neuen Methoden, mit neuen Beteiligungsmöglichkeiten, wie sie das Internet und die sozialen Medien bieten.

Es ist höchste Zeit, dem Auseinanderdriften, der Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft etwas entgegenzusetzen, nämlich die Möglichkeit zum Gespräch, zur Diskussion, zum Argument.

Ein solcher Prozess bedarf einer professionellen, neutralen und damit externen Moderation, und darauf zielt im Wesentlichen unser Antrag.

Neue Formen der Beteiligung mittels elektronischer Medien und Plattformen sollen dies ergänzen.

In Bonn sitzt die Firma Ontopica, die solche Online-Beteiligungsverfahren entwickelt und durchführt, derzeit u.a. einen Online-Dialog als Bürgerbeteiligung zum Aktionsprogramm Insektenschutz des BMU, aber eben auch zur Regionalentwicklung. Gerade in ländlichen Räumen ist angesichts der Distanzen ein Beteiligungsprozess schwierig, aber eben auch besonders wichtig, wenn wir gleichwertige Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen gewährleisten wollen.

Anrede,

Ich erinnere mich nicht mehr genau, wer den Prozess auf den Weg gebracht hat, der 2001 schließlich in den Beschluss des KEP „Zukunft AW 21“ mündete. Die Grünen waren es nicht, der heutige Landrat auch nicht, es müsste die CDU-Fraktion im Kreistag gewesen sein.

Damals war die Rede von einem planerischen Projekt, hinter dem sich „der Blick auf alle wesentlichen öffentlichen Lebensbereiche in allen Kommunen“ verberge, „von der Bevölkerungsentwicklung und der wirtschaftlichen Zukunft bis hin zu Fragen des Verkehrs und der sozialen Infrastruktur“.

Mit ins Boot sollen, so der Anspruch damals, neben den Kommunen auch Verbände und Organisationen aus Gewerbe, Handwerk, Landwirtschaft, Fremdenverkehr sowie dem Natur- und Umweltschutz.

Diese breite Beteiligung der Öffentlichkeit werde, so lautet eine Pressemitteilung der Kreisverwaltung vom 29.04.1999,  „durch eine neue Art des Steuerungsprozesses erreicht, nämlich durch einen Moderator.“

 Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, außer, das 1999 sehr lange her ist und es Zeit ist, eine Bilanz zu ziehen und das KEP nun fortzuschreiben.

Wir verfügen als Landkreis bereits über eine Vielzahl von Einzelkomponenten auf der konzeptionellen Ebene:

Nahverkehrsplan, Abfallwirtschaftskonzept, Teilhabeplanung, Schulentwicklungsplan, Kindertagesstättenbedarfsplan, Energiekonzept usw.. Ein KEP würde diese Einzelkomponenten ressortübergreifend bündeln und  zu einem mit den Akteuren im Kreis abgestimmten Leitbild  über den  zukünftigen  Entwicklungspfad integrieren.

Anrede,

tief im Internet habe ich noch eine winzige Spur des KEP aus dem Jahr 1977 gefunden. Ein Hans Habermann berichtet unter der Überschrift „Entscheidungshilfe für die Kreispolitik“ über das damalige KEP und schreibt:

„Betont werden muß die besondere Notwendigkeit einer regelmäßigen Fortschreibung, die ständige Anpassung an sich ändernde Rahmenbedingungen.“

Diesen Faden sollte der Kreistag 2018 nicht abreißen lassen.

Und noch ein letztes Zitat jenes Hans Habermann aus 1977:

„Dieses Entwicklungsprogramm kann das Denken nicht ersetzen; es bietet aber einen Orientierungsrahmen, der — bei kritischem Gebrauch — Fehlentscheidungen verhindern hilft und positive Impulse für die zukünftige Entwicklung zu geben vermag“

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