Ruhig schlafen trotz Klimawandel?

Der Referent Prof. Dr. Nikolaus Froitzheim (v.l.), Clarissa Figura von der Initiative Scientists for Future und Hardy Rehmann, Geschäftsführer des Grünen-Ortsverbands Sinzig. Foto: Ralf Urban

Der Geologe Nikolaus Froitzheim von der Uni Bonn referierte auf Einladung der Sinziger Grünen

„Schlafen sie eigentlich noch ruhig?“ Das war eine von vielen Fragen an Prof. Dr. Nikolaus Froitzheim vom Institut für Geowissenschaften der Universität Bonn. In einem sehr wissenschaftlichen Vortrag mit vielen Grafiken und Fakten zeigte Froitzheim die neuesten Erkenntnisse der dynamischen Klimageschichte unsere Erde auf. Dabei legte er die Basis zu einem tieferen Verständnis, indem er auf den zugrundeliegenden Wärmehaushalt der Erde und die Rolle von Ozeanen, Vulkanen und Sonneneinstrahlung einging. Der durch den Menschen verursachte Kohlendioxid-Eintrag ist nach allen vorliegenden Daten der Hauptverursacher für den stattfindenden drastischen Klimawandel. „Die Analyse der Eisbohrkerne verweist auch darauf, dass das Kohlendioxid für den Temperaturanstieg verantwortlich ist und diesem voranläuft“, beantwortete Froitzheim eine entsprechende Frage aus dem Zuhörerkreis.

In der Klimageschichte der Erde gab es in lange Zeiträume, in denen der Kohlendioxid-Gehalt deutlich über dem heutigen Wert lag. Die Gefahr für unsere Zivilisation geht jedoch von der in der Zwischenzeit aus physikalischen Gründen deutlich gestiegen Sonneneinstrahlung in Kombination mit der noch nie dagewesenen Geschwindigkeit des Kohlendioxid-Anstiegs aus.

Der Referent Prof. Dr. Nikolaus Froitzheim (v.l.), Clarissa Figura von der Initiative Scientists for Future und Hardy Rehmann, Geschäftsführer des Grünen-Ortsverbands Sinzig. Foto: Ralf Urban

Froitzheim führte aus, dass die Kohledioxid-Konzentration etwa hundertmal schneller und die Temperatur etwa zehnmal schneller ansteigt, als am Ende der jüngsten Eiszeit.  Diese Geschwindigkeit, gekoppelt mit der Trägheit des Klimas, führt dazu, dass für eine Anpassung unserer Zivilisation und des Ökosystems nur wenig Zeit verbleibt, und dass wir heute noch nicht genau absehen können, welche Folgen der bereits erfolgte Kohlendioxid-Eintrag haben wird. Als Beispiel zeigte Froitzheim auf, dass die heutigen Kohlendioxid-Konzentration in der Erdatmosphäre in früheren Zeiten zu starken Abschmelzungen der Eiskappen an den Polen führte und in Folge der Meeresspiegel unter vergleichbaren Bedingungen rund 20 Meter höher lag. Städte wie Hamburg, Bremen, London und New York oder ganze Länder wie Bangladesch oder die Niederlande sind damit gefährdet.

Wie erleben Tag für Tag zum Teil erhebliche Temperaturunterschiede. Auch der jahreszeitliche Wechsel in unseren Breiten führt zu hohen Temperaturschwankungen. Deshalb fällt es uns allen schwer, die Dramatik von ein paar Grad Celsius des Klimas im Unterschied zu dem stetig wechselnden Wetter zu erkennen. Um dies zu verdeutlichen, griff Froitzheim weit zurück in der Erdgeschichte. Vor 215 Millionen Jahren, an der Grenze von Perm zu Trias, stieg die Durchschnittstemperatur um vier bis fünf Grad Celsius an. Das führte dazu, dass Dreiviertel der Landlebewesen und 95 Prozent der marinen Lebewesen ausstarben.

Länder wie Deutschland gehören bei einer Pro-Kopf-Betrachtung zu den Hauptverursachern des Klimawandels. Um dramatische Änderungen der Lebensbedingungen auf der Erde zu verhindern, muss die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden (IPCC 2018). Dann dürfen noch etwa 420 Milliarden Tonnen (Gigatonnen) Kohlendioxid ausgestoßen werden. Bei einem jährlichen Ausstoß von 42 Gigatonnen ist dieses Budget in zehn Jahren verbraucht.

„Wem steht nun dieses Restbudget zu?“ fragte Froitzheim, um die Antwort gleich im Anschluss zu geben. „Deutschland hat, wie die übrigen Industriestaaten auch, sein Budget längst aufgebraucht und müsste seinen Kohlendioxid-Ausstoß sofort stoppen.“

„Die Natur wird überleben, sie sieht danach nur anders aus,“ sagte Froitzheim, „die menschliche Zivilisation aber wird dies nicht überstehen.“

Die rund 100 Zuhörer im vollbesetzen großen Saal des Sinziger Schlosses stellten in der abschließenden Diskussion eine Vielzahl von Fragen. Froitzheim wies immer wieder daraufhin, dass die vorgestellten Entwicklungen Szenarien mit hoher Wahrscheinlichkeit sind, dass angesichts der hohen Zahl und Komplexität der Faktoren, die das Weltklima beeinflussen, niemand die künftige Klima-Entwicklung genau vorhersagen könne. Entsprechend antwortete er auf die oben erwähnte Frage. „An guten Tagen schlafe ich ruhig, weil ich an die Vernunft des Menschen glaube, an anderen Tagen wache ich nachts auf und bin enttäuscht über die langsame Reaktion auf die bekannten Fakten.“ 

Breit wurde über die Reaktion der Wissenschaft auf das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung diskutiert. Froitzheim verwies auf die veröffentlichten Stellungnahmen hierzu, die ein wesentlich engagierteres Vorgehen fordern.

Die Diskussion verlagerte sich dann von den physikalischen Grundlagen zur Politik und zum menschlichen Verhalten. Der Umbau hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsform ist die einzige Lösung, der Abschied von fossiler und die Hinwendung zu erneuerbarer Energie das zentrale Handlungsfeld. Unser privates Verhalten spielt ebenfalls eine wesentliche Rolle. Teilweiser Verzicht auf schädliches Verhalten im privaten Umfeld ist notwendig. Flüge und Kreuzfahrten wurden als Beispiele genannt. Als Beispiel erwähnte Clarissa Figura von der Initiative Scientists for Future die Aktivitäten an der Universität Bonn und die dortige Pinguin-Kampagne.  Deutlich wurde auch, dass Deutschland mit seinem Knowhow und seiner Wirtschaftskraft eine Vorreiterrolle einnehmen kann und einnehmen sollte.

Hardy Rehmann, Geschäftsführer der Sinziger Grünen, auf deren Einladung Prof. Froitzheim vortrug, bedankte sich zum Schluss recht herzlich bei dem Referenten und wies darauf hin, dass der Sinziger Stadtrat derzeit fraktionsübergreifend ein Klimaziel für Sinzig diskutiert.

Der nächste Vortrag zu Umwelt und Klima, zu dem Rehmann recht herzlich einlud, findet am Mittwoch, 6. November, ab 19.30 Uhr im Franziskushaus an der Renngasse statt. Dort wird Johannes Pinn von der Energiegenossenschaft Eifel (eegon) über die Energiewende und den Beitrag der Energiegenossenschaften zu dieser Wende vortragen.

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