Bis der letzte Zentner fossilen Rohstoffs verglüht ist ?

Schon vor über 100 Jahren beschrieb Max Weber den "mächtigen „Kosmos der modernen Wirtschaftsordnung … der heute den Lebensstil aller einzelnen mit überwältigendem Zwang bestimmt... bis der letzte Zentner fossilen Rohstoffs verglüht ist." (Bild: WikimediaCommons)

Wie befreien wir uns aus dem „mächtigen Kosmos der modernen Wirtschaftsordnung … der heute den Lebensstil aller einzelnen mit überwältigendem Zwang bestimmt …bis der letzte Zentner fossilen Brennstoffs verglüht ist?“

Redemanuskript der Haushaltsrede von Fraktionssprecher Wolfgang Schlagwein im Rahmen der Beratungen des Haushalts 2020

Klimaschutz ist auch ökonomisch klug!

Anrede,

von dem Soziologen Max Weber stammt eine Abhandlung über die „protestantischen Ethik und den Geist des Kapitalismus“.  Darin beschrieb er jenen „mächtigen Kosmos der modernen Wirtschaftsordnung … der heute den Lebensstil aller einzelnen mit überwältigendem Zwang bestimmt …bis der letzte Zentner fossilen Brennstoffs verglüht ist.“

Er schrieb das vor über 100 Jahren, und seither haben vor allem wir, die westl. Industrieländer, Zentner um Zentner fossilen Brennstoffs verbrannt, und nun haben wir den Salat.

Nun macht uns ein junges Mädel namens Greta klar, dass unser Haus brennt und wir doch bitte nicht aus den letzten Zentnern ein Flämmchen machen dürfen, sondern die letzten Zentner im Boden lassen müssen.

Ob wir uns von diesem Lebensstil, von dem mächtigen Kosmos tatsächlich befreien, ist derzeit völlig offen, auch wenn er uns in den verheerenden Klimawandel und ein historisches Artensterben führt.

Ja, wir haben 2010 ein Stadtwerk gegründet,  Greta war 7 Jahre alt. Wir haben zweistellige  Millionenbeträge in Klimaschutz und Energiewende investiert, 17 Mio allein in 2019.

Die Ahrtalwerke vermeiden damit über 8.000 t CO² pro Jahr

In 2020 führen wir 750.000 € Eigenkapital zu, für ein zweites Kraftwerk, für mehr erneuerbare Energien. Nebenher stärken wir auch noch die Wirtschaftskraft der Region mit 4-5 Mio € regionaler Wertschöpfung jedes Jahr.

Klimaschutz ist auch ökonomisch klug.

Aber das Projekt Ahrtalwerke allein befreit uns nicht von jenem mächtigen Kosmos, der uns sehenden Auges in den Abgrund führt.

Für 2020 hat uns der Bürgermeister in den Vorberatungen des Haushalts zugesagt, endlich das Energiecontrolling für die städtischen Gebäude einzurichten. Wir wollen energieeffiziente städt. Gebäude und wir wollen nachweisen können, das wir das Geld der Steuerzahler effizient verwenden, auch, was die Energierechnungen angeht..  

Auf dem ein oder anderen städtischen Dach wird 2020 eine PV Anlage möglichst mit Batteriespeicher hinzukommen. Weitere Dächer sollen geprüft werden. Es ist ja befremdlich, dass von 11 kreiseigenen Gebäuden alle eine PV Anlage tragen, während von den sehr viel zahlreicheren Dächern der Stadt nur einige wenige solargeeignet sein sollen.

Auf unsere Initiative gibt es jetzt einen kreisweiten Wettbewerb zum Solarenergieausbau. Es wurden ja genügend Dächer ungenutzt zurückgehalten, um ihn jetzt gewinnen zu können.

Zum guten Ton politischer Gremien gehören Digitalisierung und Breitbandausbau.

Wie kann es dann aber sein, dass sich Kreis und Kommunen zur Umsetzung des neuen Bundesförderprogramms zum  Gigabit-Ausbau auf eine durch die Kommunen anteilig finanzierte Stelle in der Kreisverwaltung einigen – aber die Stelle jetzt doch nicht im Stellenplan steht.

Der Kreis liegt nach dem jüngsten Statusbericht für digitale Infrastrukturen bei Anschlüsse mit mind. 50 Mbit unter dem Landesdurchschnitt liegt bei 85,8 Mbit.

Da kann kein Breitbandausbau auf Eis gelegt werden, wir begrüßen, dass wenigstens die Kreisstadt die Fahne hochhält und ihren finanziellen Anteil im Haushalt 2020 sicherstellt.

Die akute Raumnot der Grundschule Bad Neuenahr ist mit dem Provisorium eines Containers abgewendet. Jetzt muß es zügig in die Gesamsanierung oder den Neubau gehen.

Die Grundschule Heimersheim läuft erkennbar in eine ähnliche Raumnot, auch hier werden jetzt Werk- und andere Fachräume bereits als Klassenräume notgenutzt. Wenn die geplanten Baugebiete kommen sollten und die Theorie vom Bauen für junge Familien (wir unterstellen: mit Kindern?) aufgehen sollte, brauchen wir schnellsten einen Ausbaulan für die GS Heimersheim.

Um aber einem Mißverständnis vorzubeugen: wir haben es in der Stadt mit keinem Babyboom zu tun. Im Gegenteil: unsere Stadt altert weiter über dem Durchschnitt.

Wir haben aber ganz andere Anforderungen an Schulgebäude. Es werden nicht mehr 50 Kinder in einer Klasse unterrichtet, wie es die wirkliche Babyboom-Generation erleben musste.

Auf 350 Mrd € beläuft sich die Summe, die sich der Staat durch die 10 Jahre anhaltende Niedrigzinsphase erspart hat.

Trotzdem sind die jährlichen Neuinvestitionen zu gering, um den Kapitalstock zu erhalten. Der Staat fährt auf Verschleiß.

Unser städtischer Haushalt 2020 wird dagegen nicht von einer schwarzen Null regiert. Weder in persona noch monetär.

Wir investieren in die Ahrtalwerke, in die Stadtbücherei, in den Neubau des Twin, in die Kurparkliegenschaften oder die Kindertagesstätten.

Anrede,

Zum guten Ton in kommunalen Gremien gehört inzwischen der Artenschutz. Wie Realität jenseits der Sonntagsreden aussieht, haben wir heute am Beispiel eines Bebaungsplanverfahrens erlebt.

Wir brauchen ein anderes Planen, ein anderes Bauen, das keine kostbaren Ressourcen und knappen Flächen mehr verschlingt. Wir müssen neue Häuser auch als Kraftwerke denken, die ihren Bewohnern gutes Wohnen  ermöglichen, aber auch mehr Energie erzeugen, als der Bedarf dieser Bewohner..

Wir müssen Stadteile so planen und bauen, dass sie als grüne Lungen Luft und Klima verbessern und knappe Flächen schonen.

Das neue Naturschutzprojekt an der mittleren und unteren Ahr mit hoher Bundes- und Landesunterstützung zeigt vielleicht neue Wege: raus aus den Naturschutzreservaten, und die Natur in die Siedlungsfläche hineintragen. Da ist noch viel Konjunktiv, vor allem darf dieses Naturschutzprojekt nicht gleich wieder nur als Hindernis von Stadtentwicklung erfahren werden.

Es soll jetzt eine Bestandsaufnahme der Lücken und Mängel an Buswartehäuschen, auch ein langjähriges Thema von uns. Der VRM hat übrigens eine solche Bestandsaufnahme.

Lassen wir dann viele begrünte Buswartehäuschen blühen. Vor allem: Lassen wir den öffentlichen Nahverkehr blühen, damit sie nicht nur von Bienen genutzt werden.

Wartehäuschen begrünen und Blühwiesen betonieren, wäre der falsche Ansatz.

Im Kreistag soll ja frischer Wind wehen, wie heute zu lesen war. Er setzt sich zwar noch nicht in Windenergie um, aber immerhin:

Bus und Bahn stehen dort nicht mehr im Verdacht, freie Bürger in die Unfreiheit  zu fahren (von Bürgerinnen war an der Stelle ohnehin nie die Rede).

Es wird die allseits freie Fahrt für Radlerinnen und Radler angestrebt. Das gibt sicher auch frischen Wind für unser städt. Förderprogramm Lastenräder, für das 2020 wieder 10.000 Euro im Haushalt stehen.

Es soll es jetzt im Kreis eine Freifahrt im ÖPNV geben, zum Schnuppern, immerhin.

Wir wollen die Menschen am ÖPNV aber nicht nur Schnuppern lassen. Der  ÖPNV muss dauerhaft bezahlbar werden, nicht nur an einem Tag im Jahr.

Dazu steht gleich noch unsere Initiative, die Tarifwaben im Stadtgebiet zu reduzieren, auf der Tagesordnung. Die stehen einem bezahlbaren ÖPNV nämlich entgegen.

Wenn dann konkrete Zahlen vorliegen, wird sich in den Haushaltsberatungen 2021 zeigen, was wem der bezahlbare ÖPNV wert ist

Die Bewerbung der Stadt zur Landesgartenschau 2022 war eine sehr visionäre. Insbesondere die visionäre Mobilität droht aber, unter die Autoräder zu kommen.

In der Antwort auf eine Anfrage der Grünen im Landtag schreibt Verkehrsminister Wissing (Drucksache 17/5105): „Die zur Laga neu einzurichtende E-Buslinie soll nach der LaGa als Stadtbus fester Bestandteil des ÖPNV werden, um die Verkehrsbelastung der Innenstadt deutlich zu verringern.“   

Das ist derzeit nicht erkennbar. Ebenso wenig wie der neue Bahnhaltepunkt Neuenahr Mitte, und selbst die Selbstverständlichkeit eines Kombitickets jedenfalls von und nach NRW stehen aktuell auch in den Sternen.

Die neue Stadteinfahrt, die 2014 mit 9,2 Mio im Investitionsprogramm stand, jetzt mit 13,2 Mio , diverse Parkhäuser mit 6stelligen Beträgen aber stehen nicht in den Sternen, sondern ganz real im Haushalt.

So wird, ist zu befürchten, die  LaGa 2022 in Bad Neuenahr-Ahrweiler als die LaGa in Erinnerung bleiben, bei der der Verbrennungsmotor seine letzte Großveranstaltung, seine letztes Familienfest feierte. Das wäre keine Befreiung aus dem mächtigen Kosmos einer betrügerischen Autoindustrie, die heute noch den Lebensstil aller einzelnen mit überwältigendem Zwang bestimm

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