Deutschlandfunk thematisiert Grafschafter Bodenversiegelung

Dieses fruchtbare, Wasser speichernde Ackerland bei Gelsdorf wird demnächst zum versiegelten Gewerbegebiet.
Dieses fruchtbare, Wasser speichernde Ackerland bei Gelsdorf wird demnächst zum versiegelten Gewerbegebiet.

Der Deutschlandfunk berichtete in seiner Sendung „Umwelt und Verbraucher“ am 17. Januar 2022 über die fortschreitende Bodenversiegelung in der Gemeinde Grafschaft. Am Beispiel einer Ackerfläche in Gelsdorf, auf der demnächst das bestehende Gewerbegebiet um 9 ha erweitert werden wird, äußert sich auch Mathias Heeb, Fraktionssprecher der GRÜNEN im Rat der Gemeinde Grafschaft, im Beitrag.

Mit der anstehenden Erweiterung des Gewerbegebietes und der damit verbundenen weiteren Versiegelung gehen der Landwirtschaft noch mehr fruchtbare Flächen verloren, obwohl sie gleich zwei Funktionen erfüllen: Sie können enorme Mengen an Wasser aufnehmen und speichern ermöglichen so auch in trockenen Jahren eine Wasser sparende, landwirtschaftliche Nutzung. Das alleine ist für die Grafschafter GRÜNEN Grund genug, um jegliche weitere Versiegelung von Flächen zu stoppen, nachdem alleine in den letzten 11 Jahren die Grafschaft vier mal vom Hochwasser getroffen wurde.

Aber Mathias Heeb schaut über den Tellerrand der Gemeinde Grafschaft hinaus. Als Mitglied des Kreistages bezieht er auch die Belange der benachbarten Kommunen in seine Bewertung ein: „Es kann so nicht weitergehen. Wir müssen – auch im Bezug auf die Ahr – auch in der Grafschaft Retentionsflächen schaffen.“ Diese Rückhalteflächen für größere Regenmengen sollten dann aber nicht in Beton, sondern als natürliche Versickerungsflächen ausgeführt werden, so dass sie auch etwas für den Naturschutz leisten.

Der komplette Beitrag des Deutschlandfunks kann hier als MP3 abgerufen werden.


Transkript des gesamten Beitrages:

Titel: Deutschlandfunk. Umwelt und Verbraucher.

Intro: Vor der Flutkatastrophe im Ahrtal kannten nur wenige die ländliche Gemeinde Grafschaft in der Ahr-Eifel. 11.000 Einwohner verteilen sich im Norden von Rheinland-Pfalz auf ein paar Dörfer nahe der Autobahn 61 mit dem Meckenheimer Kreuz. Seit dem Ahrhochwasser ist der sogenannte Innovationspark Rheinland mit dem neuen Haribo-Werk zumindestens den 100.000 Freiwilligen als Sammelpunkt für die Helfer bekannt. Das Ahrtal zeichnet sich durch seine Enge aus. Aber die Grafschaft auf der Höhe boomt, will Gewerbegebiete erweitern und neue bauen, außerdem Einkaufszentrum und Wohngebiete. Doch all das ist umstritten, denn auch die Grafschaft hat ein Hochwasserproblem. Anke Petermann berichtet.

DLF: Die Felder am Hang liegen brach. Als Ackerbaufläche hatte sie bislang die Familie Münch gepachtet. Sie betreibt hier ihren Beerenhof, zu dem auch Gewächshäuser gehören. Peter Münch deutet auf das Ackerland, das jetzt Bauland werden soll.

P. Münch: Hier vorne standen Erdbeeren. Da sieht man noch die Überreste. Chicorée, Johannisbeeren, Stachelbeeren, Weizen, Zuckerrüben.

DLF: Für die Rübenkrautfabrik im nordrhein-westfälischen Meckenheim, das unten im Tal liegt. „Ein geschlossener Regionalkreislauf“, lacht Peter Münch. Aber es klingt ein bisschen bitter. Denn das Pachtland wurde verkauft. Um neun Hektar wird hier das angrenzende Gewerbegebiet erweitert. Das Grafschafter Unternehmen Frutania kann auf seinen Flächen im Innovationspark Rheinland nicht weiter expandieren. Auf dem Gelsdorfer Acker bekommt es nun mehr Platz für das Waschen und Verpacken von einheimischem und importiertem Obst. Damit, so kritisiert Obstbauer Peter Münch, wird gutes Ackerland zubetoniert. Und Boden, der, anders als die dünnen Schichten unten im Ahrtal, sehr gut Wasser speichert.

P. Münch: Wir haben hier eine fünf Meter dicke Lössschicht, und da drunter kommt Ton, so dass ja das Wasser sich quasi auf dem Ton staut und die restlichen fünf Meter Löss, Lehm für die gute Wasserversorgung auch in trockenen Jahren verfügbar sind.

DLF: Verfügbar waren, besser gesagt. Denn die Erweiterung des Gewerbegebiets ist beschlossene Sache. Bürgermeister Achim Juchem freut sich, dass hier ein einheimisches Unternehmen expandiert. Der Hochwasserschutz komme nicht zu kurz, versichert der CDU-Politiker.

A. Juchem: Das heißt also: Wird die Fläche bebaut, muss dann gleichzeitig auch ein großes Regenrückhaltebecken entstehen.

DLF: Fähig, ein Hochwasser aufzunehmen, wie es statistisch gesehen alle hundert Jahre vorkommt. Die Grünen-Fraktion im Gemeinderat stimmte dagegen, zusätzliche Fläche zu versiegeln. Das war kurz vor der Flutkatastrophe. Fraktionschef Mathias Heeb:

Mathias Heeb: Wir hatten 2010/13/16 und jetzt wieder 21 in der Grafschaft auch wieder massive Hochwasserschäden. Innerhalb von elf Jahren vier Mal.

DLF: Der Gelsdorfer Volker Schwichtenberg hat das leidvoll zu spüren bekommen.

V. Schwichtenberg: Ja, mit Schäden natürlich am Haus. Aber das sind Schäden, die man erst im Nachhinein feststellen konnte, weil wir natürlich durch das jetzige Hochwasser komplett renovieren mussten. Und dann halt festgestellt haben, dass dort auch Vorschäden gewesen sind, die man aber so augenscheinlich nicht sehen konnte.

DLF: Schäden durch Nässe und Schimmel. Die häufiger und dramatischer werden könnten, wenn am Hang oberhalb seines Hauses zusätzliche Gewerbefläche versiegelt wird, fürchtet Schwichtenberg, Verlagschef in Bad Neuenahr.

V. Schwichtenberg: Also grundsätzlich, ich meine: ich bin ja Unternehmer, bin ich eigentlich schon dafür, dass ein Gewerbegebiet erweitert wird. Aber wenn es dann zu Lasten der Bürger geht, die im Ort wohnen, bin ich natürlich eindeutig dagegen. Und wir sind ja definitiv davon betroffen gewesen. Insofern: Ich bin dagegen.

DLF: Neben dem Gewerbegebiet Gelsdorf wächst auch der Innovationspark Rheinland mit Haribo als Zugpferd. Am angrenzenden Kreisel würden REWE und Aldi gern ein neues Einkaufszentrum eröffnen. Bürgermeister Juchem ist dafür. Und die FDP will dort, wo vor ein paar Jahren die Planung für ein Factory-Outlet Center beerdigt worden war, gemeinsam mit der Stadt Bad Neuenahr ein Gelände entwickeln. Der Autozulieferer ZF zieht aus der hochwassergefährdeten Kreisstadt weg. Die Grafschaft soll ihm Asyl bieten, damit das Unternehmen nicht nach Koblenz abwandert, so der Hintergedanke. Weiterer Flächenfraß bei zunehmender Starkregengefahr? Mathias Heeb, für die Grünen auch im Kreistag von Ahrweiler, nimmt die gesamte Region in den Blick.

Mathias Heeb: Es kann so nicht weitergehen. Wir müssten zum Beispiel, auch im Bezug auf die Ahr, aber jetzt auch hier in solchen Gegenden wie der Grafschaft Retentionsflächen schaffen.

DLF: Also Rückhalteflächen für größere Regenmengen. Und zwar nicht in Beton, fordert der Grünen-Politiker, sondern als natürliche Versickerungsflächen, die auch etwas für den Naturschutz leisteten. Gemeinsam mit Obstbauer Münch schaut Matthias Heeb zu den Kranichen am Himmel über dem Acker. Die letzten Kälteflüchtlinge auf dem Weg nach Spanien. Als Rastplatz für Zugvögel gehen die Felder am Waldrand von Gelsdorf demnächst verloren.

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