In der Armutsfalle: Podiumsdiskussion stellt sich der Minijob-Problematik

Jede dritte arbeitstätige Frau im Kreis Ahrweiler ist eine Minijobberin und damit latent von Altersarmut bedroht. Auf diesen Missstand machte am Montag eine vom Grünen Kreisverband Ahrweiler und vom Institut für Bildungs- und Sozialpolitik der Hochschule Koblenz, RheinAhrCampus Remagen (Ibus-Institut) veranstaltete Podiumsdiskussion aufmerksam. Der Diskussion im RheinAhrcampus stellten sich der Arbeitsmarkt-Experte Prof. Dr. Stefan Sell, Gabi Weber vom DGB Koblenz, Dr. Christa Lenz von der Beratungsstelle Frau und Beruf Ahrweiler sowie Martin Schmitt von der Grünen Landesarbeitsgemeinschaft Soziales. Frauenministerin Irene Alt musste ihre Teilnahme kurzfristig absagen.

Das Angebot erscheint verführerisch: Bis zu 450 Euro kann man in Deutschland verdienen, ohne Sozialabgaben zahlen zu müssen. Vor allem Mütter gehen auf dieses Angebot ein, da Minijobs oft – aber nicht immer – mit geringen Arbeitszeiten verbunden sind. Die Kinderbetreuung bleibt nicht auf der Strecke und die Haushaltskasse wird aufgebessert – so der Gedankengang. Doch die versammelten Experten warnen.

„Einmal 450-Euro-Job, immer 450-Euro-Job, dieses Risiko ist hoch“, meinte etwa Christa Lenz. Der spätere Umstieg vom Minijob auf sozialversicherungspflichtige Jobs gelingt den wenigsten Frauen. Da sie mit Minijobs kaum Rentenrücklagen aufbauen, droht den betroffenen Frauen und Männern Altersarmut. Das kann sogar für mit gut situierten Männern verheiratete Frauen gelten, wenn die Frau nach einer Scheidung oder einem sehr frühen Ableben des Ehemanns entweder ganz aus der gemeinsamen Rente fällt oder erhebliche Abschläge hinnehmen muss.

Auch andere Rechte wie Urlaubsgeld und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall werden Minijobberinnen und Minijobbern oft verwehrt, betonte Stefan Sell. Martin Schmitt von den Grünen sprach von einer Fehlentwicklung und wies auf das weit verbreitete Lohndumping bei Minijobs hin. Ganze Firmen würden auf dem Geschäftsmodell Minijob beruhen, „qualifizierte Leute ausbeuten und nur Minijobber einstellen“. Dem gelte es etwa mit Mindestlöhnen Abhilfe zu schaffen.

In ihrer Kritik am Minijob-Modell waren sich alle Diskutanten einig. Kontrovers diskutiert wurde dennoch. Die DGB-Vorsitzende Weber forderte etwa eine bessere Kinderbetreuung und ein Abrücken von der 40-Stundenwoche, um Beruf und Familie für Frauen und Männer besser vereinbar zu machen. Sell verwies hingegen darauf, dass junge Väter nach der Geburt ihrer Kinder statistisch sogar „drei Stunden die Woche mehr“ arbeiten gehen würden. Auch sei das deutsche Rentensystem noch immer auf Vollzeit arbeitende Menschen ausgerichtet. Dass Menschen weniger arbeiten ist in diesem System noch gar nicht vorgesehen. „Gegen die gewaltige Reform, der man sich jetzt stellen müsste, war Hartz IV ein Kinderspiel“, schätzte Sell abschließend ein.

Gemeinsame Presseerklärung des Grünen Kreisverbands Ahrweiler und des Instituts für Bildungs- und Sozialpolitik der Hochschule Koblenz, RheinAhrCampus Remagen (Ibus-Institut)

Print Friendly, PDF & Email