Dem „Weiter-so-Haushalt“ die Zustimmung verwehrt


Dies ist die Haushaltsrede, die Hardy Rehmann, Vorsitzender der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Sinziger Stadtrat, bei der Haushaltssitzung des Stadtrats am 4. Dezember 2019 hielt:

Hardy Rehmann
Hardy Rehmann

Ich begrüße die anwesenden Sinziger Bürger und Bürgerinnen,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Geron,
sehr geehrte Damen und Herren der Stadtverwaltung,
sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen des Stadtrats und
sehr geehrte Vertreter und Vertreterinnen der Presse,

wir beschließen heute über einen Ergebnis- und Finanzhaushalt von 32 Mio. €.

Da stellt sich als Erstes die Frage, ist dieser Haushalt wirklich ausgeglichen und ist er dauerhaft nachhaltig? Die formale Antwort ist einfach. Der Haushalt ist ausgeglichen und erfüllt alle formalen Anforderungen.

Aber wie steht es aus mit der mittelfristigen Nachhaltigkeit?

Ein ausgeglichener Haushalt gelingt nur dank der Schlüsselzuweisung A. Sind wir also eine arme Stadt? Wenn dies Armut ist, dann kann ich nur feststellen, dass 90% der Menschheit sich nach dieser Form der Armut sehnen.

Bund und Länder schwimmen in Steuereinnahmen und wir profitieren 2020 davon. Das muss so nicht bleiben. Man kann bedauern das Sinzig offiziell als arm ausgewiesen wird, wir könnten uns aber auch fragen, ob wir nicht zu viel Geld ausgeben.

Daraus kommt dann die Erste von fünf Anforderungen an Stadtverwaltung und Stadtrat, die wir mit diesem Haushalt verbinden.

  1. Effizienzpotentiale heben

    Rechtzeitig im nächsten Jahr sollten wir im Hauptausschuss auf Basis von Vorschlägen der Stadtverwaltung über die Ausgaben im Detail sprechen. Energiekosten, Personal, Gebäude und Investitionen gehören auf den Prüfstand. Wir erwarten dazu Vorschläge der Verwaltung zur Effizienzsteigerung

Solange wir uns den Luxus leisten 500.000,00 € für einen weiteren Kunstrasenplatz in Bad Bodendorf und völlig überteuerte 600.000 € für einen ebenerdigen Anbau an ein existierendes Dorfgemeinschaftshaus in Löhndorf auszugeben, um nur zwei fragwürdige Investitionen anzusprechen, sind wir weit von jeder Armut entfernt.

Als Zweites stellt sich die Frage, inwieweit wir eine realistische Planung für 2020 vor uns haben. Und hier haben wir bei der Investitionsplanung doch starke Zweifel.

Dieser Haushalt ist im Wesentlichen ein „Weiter-so- Haushalt“. Wir schreiben fort, was seit Langem auf unserer Wunschliste steht und arbeiten den Investitionsstau aus den vergangenen Legislaturperioden ab. Dies führt dazu, dass wir Investitionen in Höhe von 12 Mio. € geplant haben.

12 Mio.€ bei einer begrenzten Ressource von Planern und Bauleitern, einer voll ausgelasteten Bauwirtschaft und den Abläufen einer öffentlichen Bauleitplanung und Aus-schreibung. Jedem Beteiligten ist klar, dass wir die damit verbundene hohe Zahl an Vorhaben in 2020 wahrscheinlich nicht realisieren werden können.

2. Damit verbindet sich dann unsere zweite Forderung nach mehr Realismus in der Investitionsplanung. Wir bitten die Verwaltung uns in der ersten oder zweiten Sitzung des Hauptausschusses in 2020 eine realistische Einschätzung über das in 2020 tatsächlich zur erwartende Investitionsvolumen abzugeben,

und wir müssen

3. in Zukunft eine entsprechend realistische Investitionsplanung als Grundlage für die Haushaltsberatung verwenden.

Schauen wir uns die Investitionen etwas genauer an, dann sehen wir, warum wir von einem „Weiter-soHaushalt“ sprechen und warum wir dies kritisch sehen. Die Dringlichkeit, unser Verhalten zu ändern, ist bei uns noch nicht angekommen.

Zeitgleich mit uns tagt in Madrid die 25. Weltklimakonferenz, unsere Fichten sind fast komplett abgestorben, wir erlebten gerade den zweiten trockenen Sommer in Folge, wir erlebten Sommertage mit mehr als 40 Grad Celsius, 2019 ist das wärmste Jahr seit Beginn der Temperatur-aufzeichnungen im Jahr 1850, unsere Kinder und Jugendlichen demonstrieren Woche für Woche und selbst unser Landrat, der nicht unter dem Verdacht steht ein besonders engagierter Klimaschützer zu sein, lädt zur Zukunftskonferenz ein. Die Bundesregierung berät über ein Klimaschutzgesetz und die EU will über 10 Jahre 1 Billion € in Klimaschutz investieren.1 Billion €!! Eintausend Milliarden. Die Energiewende wird überall als entscheidender Baustein zum Klimaschutz gesehen.

Super, endlich tut sich was, da erwartet man doch ein deutliches Signal auf jeder Ebene und dies in unserem Haushalt zu finden. Wir reden ja ständig alle von Umwelt- und Klimaschutz.

Aber Erich Kästner hat mal zu Recht gesagt: „Es gibt nichts Gutes außer man tut es“.

Wenn wir uns daraufhin unseren Haushalt anschauen stellen wir verblüfft fest, dass im Ergebnishaushalt ohne Betrachtung der Personalkosten rund 19. Mio. € eingeplant sind. Davon werden 25.000 € für Klimaschutzmaßnahmen eingesetzt. Also 0,13%.

0,13 % !!!

Ist irgendjemand hier im Saal überzeugt, dass das ausreicht?

Im 12 Mio. € schweren Investitionshaushalt tragen, unter Berücksichtigung von energetischer Gebäudesanierung, bei großzügiger Betrachtung, rund 11% zum Klimaschutz bei. Rund 30% der Investitionen also die dreifache Menge ist für neue Gebäude geplant und wird zu einer weiteren Verschlechterung unsere CO2 Bilanz führen.

Wenn wir dann die Energieerzeugung betrachten, finden wir 30.000,00€ Investitionen in Solaranlagen. Das sind homöopathische 0,25% unserer geplanten Investitionen. Und es ist zudem sehr wahrscheinlich, dass diese Solaranlage auf der neu zu errichtenden Bad Bodendorfer Sporthalle in 2020 wegen dem zu erwartenden Baufortschritt nicht gebaut wird.

0,25 % für Erneuerbare Energien, Ist irgendjemand hier im Saal der Meinung, dass das ausreicht?

Wir finden, das ist nicht ausreichend.

Mit den 1,1 Mio. €, die wir für den Kunstrasenplatz und den Anbau in Löhndorf planen, könnten wir Photovoltaikanlagen bauen, die pro Jahr 850.000kW/h Strom produzieren. Und das über mindestens 20 Jahre. Das sind dann 17 Mio. kWh Strom. Das spart pro Jahr, unter Berücksichtigung des Produktionsaufwandes, 380Tonnen Co2 Emission.

Im Gegensatz zu den anderen Investitionen, die zu laufenden zukünftigen jährlichen Ausgaben führen, erschließen wir uns mit einer Investition in erneuerbare Energien eine regelmäßige zusätzliche Einnahmequelle.

Das, meine Damen und Herren, wäre mal eine wirkliche Tat! Stellen Sie sich die Schlagzeilen vor! Sinzig investiert eine Million Euro in erneuerbare Energien.

Damit kommen wir dann zur vierten und fünften Aufforderung.

4. Die vorgesehen Mittel sofort einsetzen!

Wir schlagen vor, dass die vorgesehenen 30.000,00€ sofort für den Bau einer PV Anlage auf einem der freien Dächer der Stadt investiert wird.

Solch eine homöopathische Investition ist jedoch nicht mal ansatzweise ausreichend. Deshalb unser 5. Vorschlag an Stadtrat und Verwaltung:

5. Mehr Investitionen in 2020 in erneuerbare Energien.

Wir fordern, dass auf Basis der realistischen Einschätzung über das zu bewältigende Investitionsvolumen und auf Basis der derzeit von unsere Klimamanagerin erarbeiteten Potentialanalyse für PV-Anlagen im Frühjahr 2020 über einen Ergänzungshaushalt beraten wird, der den zu erwartenden Spielraum auf Investitionsseite nutzt, um endlich signifikante Schritte in Richtung Klimaschutz umzusetzen.

Lassen Sie mich abschließend feststellen, dass unser Haushaltsplan 2020 erste Schritte in Richtung Klima- und Umweltschutz enthält. Insbesondere bei eine Kraft-Wärme -Kopplung im Schulzentrum sehen wir Potential und eine Radstation am Bahnhof würden die Bahnnutzung attraktiver machen. Im Einvernehmen mit Verwaltung und allen Stadtratsfraktionen sind Planungsansätze hierfür berücksichtigt, was wir ausdrücklich begrüßen. Wir bedanken uns auch für die intensiven und offenen Diskussionen im Vorfeld, die in einer sehr konstruktiven Atmosphäre stattfanden. Sinzig ist auch keineswegs das Schlusslicht im Kreis. Nur drei Gemeinden haben eine Klimamanagerin, nur zwei haben ein Klimaschutzkonzept vorliegen. Zudem haben wir dieses Jahr die jährliche Fortschreibung des Klimaschutzkonzeptes und ein ambitioniertes CO2 Ziel im Stadtrat einstimmig beschlossen.

In Summe ist das aber nicht ausreichend und wir investieren mit unserem „Weiter-so-Haushalt“ immer noch in die falsche Richtung.

Wir haben uns deshalb nach intensiver Beratung dazu entschieden diesem Haushalt so nicht zu zustimmen.

Da wir aber die Verwaltungsarbeit auch nicht blockieren wollen, werden wir uns, trotz erheblicher Bedenken, nur enthalten. Wir werden daran arbeiten, dass wir gemeinsam die hier aufgeführten Anregungen in unsere Arbeit in 2020 berücksichtigen.

Vielen Dank.
Hardy Rehmann
Fraktionssprecher
Bündnis 90/Die Grünen
Stadtrat Sinzig

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