Sozialpolitischer Aschermittwoch in Remagen

Die Akteure des Sozialpolitischen Aschermittwochs in Remagen (v.r. Christoph Scheuer, Frank Bliss, Katharina Binz, Stefani Jürries, Birgit Stupp und Anna Gieraths mit einer weiteren Foodsaverin)

Grüne bringen Sozialpolitik von der Bundes-
über die Landesebene in die Stadt

Im Vergleich
mit den bayerischen Reden der Bundesparteien geradezu harmonisch ging es beim
Sozialpolitischen Aschermittwoch der Grünen am Mittwoch im Foyer der Remagener
Rheinhalle zu. Eingeladen hatte die Remagener Stadtratsfraktion und der
Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen. Gekommen waren zahlreiche
VertreterInnen von Vereinen und Bürgerinitiativen, viele Bürgerinnen und Bürger
und natürlich PolitikerInnen aus Mainz, dem benachbarten Bonn, dem Kreis
Ahrweiler und aus Remagen.

Freuen konnte sich Grünen-Fraktionssprecherin
Stefani Jürries, die gemeinsam mit Christoph Scheuer (Kreissprecher der
Grünen), gut gelaunt durch das umfangreiche Programm führte, vor allem auch
über die Anwesenheit von VertreterInnen anderer Fraktionen aus Kreistag und
Stadtrat. Jürries spannte in ihrer Begrüßung den Bogen zwischen den
traditionellen Neujahrsempfängen und politischen
Aschermittwochsveranstaltungen, aber auch den wichtigen gemeinsamen Mahnwachen,
um zu verdeutlichen wie wichtig, diese informellen Treffen für Gespräche unter
PolitikerInnen verschiedener Parteien, aber eben auch mit den vielen
verschiedenen weiteren Akteuren der Zivilgesellschaft gerade auch bei den
sozialpolitischen Themenfeldern sind.

Für
die Mainzer Landtagsfraktion der Grünen wies die Abgeordnete Katharina Binz als
Hauptrednerin auf die soziale Schieflage in Deutschland hinsichtlich von
Kindern sowie alleinerziehenden Müttern und Vätern hin. So würden diese durch
das deutsche Steuersystem erheblich benachteiligt. Nicht akzeptieren wollte
Katharina Binz auch die Tatsache, dass Kindern in Familien mit Harz IV –
Leistungen quasi als Sozialhilfeempfänger zur Welt kommen. „Was hat die
Arbeitslosigkeit eines Elternteils mit den Kindern der Familie zu tun? Warum
dürfen diese Kinder fast gar nicht am kulturellen Leben teilhaben, warum dürfen
sie nicht wie alle anderen zur Musikschule gehen und erhalten vom Sozialamt nur
ein paar Cent im Monat für Bücher, die gerade bei Kindern so wertvoll sind?“.
Besonders verwies die Rednerin anschließend auf den Wohnungsmarkt, wo bereits
jeder vierte Mieter und jede vierte Mieterin von Sozialhilfe abhängig sei.

Grünen-Kreissprecherin
Birgit Stupp ging anschließend in einem humorvollen Beitrag auf phantasievolle
Möglichkeiten der Gesundheitsprävention ein. Sie betonte insbesondere die
Schätze, die in jedem einzelnen stecken und die es immer wieder zu entdecken
gilt. Wichtig war Stupp auch, die noch größere Einbeziehung und die Kooperation
mit den vielen Vereinen, Organisationen und Projekten im sozialpolitischen
Bereich zu thematisieren, denn ohne diese vielfach ehrenamtlich geleistete
Arbeit wäre unser Gesellschaft sehr viel schlechter aufgestellt.

Auf die städtische Ebene brachte das
Thema der Sozialpolitik anschließend Grünen-Fraktionssprecher Frank Bliss. Zu
Stichworten wie Kinder- und Jugendarbeit in Remagen, Senioren,
Barrierefreiheit, Integration oder bürgerschaftliches Engagement verwies Bliss
auf die bisherigen Aktivitäten in der Römerstadt, Erfolge, aber auch bestehende
Lücken und entsprechend Herausforderungen für die Zukunft. Zentral wurde in
seinem Redebeitrag die Frage des Wohnens und damit der Baupolitik angesprochen.
„Familien mit niedrigem Einkommen, ältere Menschen, Alleinerziehende,
Studierende, ja selbst Personen, die trotz guter Einkommen nur etwas mieten
wollten, finden in Remagen kaum eine Zwei- oder Dreizimmerwohnung. Viel zu lang
haben wir ein Häuschen neben das andere auf der Grünen Wiese bauen lassen. Aber
immer, wenn anfangs auch an Mietwohnungsbau gedacht wurde, verschwanden die
Pläne wieder in der Schublade“, so Bliss.

Für die Zukunft würden die Grünen
daher eine aktive Wohnbaupolitik einfordern, bei der gezielt sowohl der freie
Mietwohnungsbau gefördert wie auch an gemeinnützigen Wohnungsbau gedacht werden
müsse. Schließlich endete Bliss seinen Beitrag mit einem humorvollen Hinweis
auf das „Sozialste, was in Remagen und in Deutschland derzeit angeboten wird“,
nämlich absolut reines Trinkwasser für 2,25 Euro pro Tausend Liter. „Das
billigste Tafelwasser, in ökologisch verheerender Einmalplastikflasche und
nicht selten 1.000 Kilometer durch Europa gefahren, kostet bereits 50mal mehr
als unser Remagener Leitungswasser und das bei deutlich schlechterer Qualität“.

Die letzte Rednerin Anna Gieraths
stand dann quasi stellvertretend für die vielen zivilgesellschaftlichen
Akteure, die sich an diesem Abend in der Rheinhalle eingefunden hatten. Sie
stellte den Verein foodsharing vor,
der sich um die Verwertung von in Supermärkten sonst vernichteter Lebensmittel
kümmert. Unter dem Motto „Das Überschreiten eines Verfallsdatums ist nicht
automatisch tödlich“ erklärte sie die Ziele und Aufgaben des Vereins, der
keineswegs als Konkurrenz zu anderen Hilfsprojekten verstanden werden darf,
sondern als Ergänzung bisher bestehender Angebote wie den Tafeln.

Im Anschluss an das runde Programm
nutzen die gut 70 Gäste ausgiebig die Gelegenheit zu Gesprächen und Nachfragen
und genossen neben Sekt, Wein und Saft auch Remagener Leitungswasser pur.
Natürlich gab es auch eine Kostprobe der „geretteten“ Produkte wie Obst, Gemüse
oder Gebäck „vom Vortag“ von Anna Gieraths und ihrer Mitstreiterin, die das
Buffet der Grünen mit vielen Vitaminen und selbstgebackenem Bananenbrot
ergänzten.

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