Kreistag berät den Haushalt für das Jahr 2020

Überall machen Fridays For Future Klimawandel und Energiewende zum Thema

Ein Gespenst geht um: der „Grüne Klima-Mainstream“ weht jetzt auch im Ahrweiler Kreistag – die Kommunalwahl im Mai hat den Kreistag gehörig durchgeschüttelt. Nachfolgend die Haushaltsrede von Fraktionssprecher Wolfgang Schlagwein.

Anrede,

der Kreistag berät heute den ersten Haushalt dieser Wahlperiode, ein Kreistag, den die Wahlen am 26. Mai 2019 gehörig durchgeschüttelt haben.

Große Teile der kommunalen Politik hatten an diesem 26. Mai eine Erscheinung.

Seitdem geht auch im Kreistag ein Gespenst um, manche nennen es „grünen Klima-Mainstream“.

Sie sehen nicht rot, sondern grün, weil die Rufe nach Klimaschutz, Artenschutz und für Energiewende, gerade von der jungen Generation nicht mehr zu überhören sind: „Worin wir uns’re Zukunft sehen? Erneuerbare Energien!“ – skandieren Fridays For Future, und das rufen, wenigstens murmeln sie es, nun auch immer mehr von denen, die darin vor dem 26. Mai eher keine Zukunft sahen, oder bestenfalls eine sehr, sehr ferne.

Klimaschutz, Energiewende und selbst Verkehrswende sind keine Nischenprodukte mehr.

Das Gespenst bewirkt, dass im neuen Klima-Mainstream die Busse und Bahnen des ÖPNV nicht mehr im Verdacht stehen, freie Bürger in Unfreiheit und Sozialismus zu fahren (von Bürgerinnen war an der Stelle ohnehin nie die Rede).

Endlich wird die allseits freie Fahrt für Radlerinnen und Radler angestrebt.

Und immerhin eine Freifahrt im ÖPNV.

Das ist ein Anfang.  Ob daraus ein Aufbruch wird, muß sich noch zeigen.

Die Wahrheit wird auf dem Platz liegen, wie Sepp Herberger zu sagen pflegte.

Nicht nur auf dann hoffentlich breiteren Fahrradwegen, sondern auf dem Platz, der im Konfliktfall zu Gunsten von Bussen, von Fahrrädern und der zu Fuß Gehenden vom Auto freigeräumt werden muß.

Wo aber in den alten Gewohnheiten verharrt wird, kommt kein Aufbruch, sondern nur Hüh und Hott heraus.  Da  wird dann aus der Kohle immer noch nicht ausgestiegen, aber die Strukturhilfen für den Ausstieg sollen schon mal den Weiterbau der A1 finanzieren.

Wer  Klimaschutz ernst nimmt, wer Verkehrswende ernst nimmt, den fordern wir auf,  sich auch in diesem Kreistag von solchen Politikblüten zu distanzieren. Solche Blühstreifen braucht niemand.

Ähnliches gilt auch für den Artenschutz. Das verheerende Artensterben, das es bis in die Prime Time der Tagesschau bringt, ist nicht durch Blühstreifen am Rande zu stoppen.

Wer der Landwirtschaft Hektar um Hektar fruchtbarster Böden nimmt, für neue Autobahnen, neue Kreisstraßen oder neue Gewerbegebiete (großflächig, wie der Landrat fordert) , zwingt die Landwirte, auf immer weniger Flächen immer intensiver zu wirtschaften.

Schmale Blühzierden um tote Äcker, um Beton- und Aspaltwüsten kehren eine lebensfeindliche Landnutzung nicht um.

Wir brauchen dringend die Verständigung, wie eine ökologisch und sozial verträgliche Landnutzung aussehen kann. Das 2 Jahrzehnte alte Kreisentwicklungs- programm gibt darauf keine Antwort.

Unsere  Forderung, es in einem breiten Beteiligungsprozess zu erneuern, ist bisher ungehört verhallt. Ansätze, wie es gehen könnte, zeigt vielleicht das neue Naturschutzprojekt an der mittleren Ahr, aber da ist noch viel Konjunktiv.

Unsere Forderung, die Mittel für Energiewende zu erhöhen, verhallt aber  nicht mehr ungehört,  der 26. Mai hat geholfen.

Die neue Stelle für Klimaschutzmanagement allerdings ist bis Dezember 2024 befristet. Will hier ernsthaft jemand 2024 einen Haken hinter den Klimaschutz machen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen: bedenkt die Kommunalwahl 2024! 

Unsere Anträge und Änderungsanträge liegen dem Kreistag vor.

Mit dem Nahwärmekonzept rund um das Rhein Gymnasium streben wir an, das erfolgreiche Modell der Ahrtalwerke im Kreis auszudehnen. Nahwärmenetze mit Kraft-Wärme-Kopplung und Speichern sind ideal, um die fluktuierenden Erneuerbaren Energien auszugleichen.

Das im Passivenergiehausstandard errichtete Schulgebäude des Are-Gymnasiums hat einen Heizenergiebedarf, der über 15 kwh/m²/a. liegt. Um die 20  kwh/m²/a sind auch nicht schlecht, aber nicht das angestrebte Ziel.

Wir wollen hier  energieeffizienter werden.  

Mit dem Wettbewerb „Wir machen die Dächer voll“ wollen wir die Energiewende umsetzen, wie wir Grüne sie verstehen: als Projekt, das von vielen Akteuren getragen wird. 

Mit den Klimaschutzpaten wollen wir die Entwicklung von unten unterstützen, als niederschwelliger Ansatz für die vielen kleinen Ortsgemeinden des Kreises.

Wir wollen das bürgerschaftliche Engagement und Wissen nutzen und vor Ort feste Ansprechpartner für das Klimaschutzmanagement auf Kreisebene gewinnen.

Die Stelle fürs Klimaschutzmanagement wollen wir entfristen. Es wird schwer werden, qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen, wenn andernorts dauerhafte Perspektiven Berufsperspektiven winken.

Auch die Energiewende setzt auf Digitalisierung und Breitbandausbau.

Trotz allseitiger Klagen über den nationalen Rückstand, die weißen und grauen Flecken landauf und landab steht die mit den Kommunen zunächst verabredete Stelle zur Umsetzung des neuen Bundes-Förderprogramms zum  Gigabit-Ausbau nun doch nicht im Stellenplan.

Wir wollen diese Stelle einsetzen. Es darf nicht sein, dass der weiteren Breitbandausbau das gesamte Jahr 2020 hindurch auf Eis zu liegen kommt, weil im Stellenplan die Stelle fehlt.

73% der Haushalte in unserem Kreis verfügen nach dem jüngsten Statusbericht für digitale Infrastrukturen Anschlüsse mit mind. 50 Mbit – aber nur 6 Landkreise in RLP haben weniger. Der Landesdurchschnitt liegt bei 85,8 Mbit.

Unabhängig von unserem Antrag, die Elternanteile in der Kindertagespflege zu übernehmen: Im Teilhaushalt Jugendhilfe steht ein Bruttoaufwand von rund 70 Mio €, im Teilhaushalt Soziale Hilfen 81 Mio. Das sind große Summen, die in der alltäglichen Umsetzung mühevolle und gut organisierte Kleinarbeit erfordern.

In unserer Abwägung Pro und Contra Zustimmung zum Haushalt war und ist diese Arbeit ein dickes Pro.   

Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrte Koalition,

Sie haben am 26. Mai ein Gespenst gesehen. Das Gespenst ist von dieser Welt und wird nicht mehr verschwinden. Was Sie da sehen, sind die Grenzen dieses Planeten. Als  Koalition haben Sie die Verantwortung übernommen, diese Grenzen zu achten und die weitere Entwicklung dieses Landkreises  innerhalb dieser Grenzen zu gestalten.

Sie mögen heute unsere Anträge ablehnen, einige oder alle, aber diesen Grenzen wird sich die Koalition nicht entziehen können.

13.12.2019

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