Duft von Pinien, Grillsardinen und Meer

 
Mit deutlichen Worten hat Hardy Rehmann, Vorsitzender der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Sinziger Stadtrat, bei der Ratssitzung gestern die vom Plenum mehrheitlich beschlossene städtische Haushaltsplanung für das Jahr 2021 kritisiert.

 

Porträt Hardy Remann
Fraktionssprecher Hardy Rehmann – Foto: Anton Simons

Sehr geehrter herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,

Es ist wahr, Verwaltung und Fraktionen haben viel Aufwand in die hier vorliegende Haushaltssatzung investiert. Die Diskussionen wurden intensiv und von allen mit dem spürbaren Willen, das Beste für Sinzig zu erreichen, geführt.

Leider führt ein hoher Aufwand nicht zwangsläufig zu einem guten Ergebnis. Die Beratungen haben gezeigt, dass es zwischen den Fraktionen sehr unterschiedliche Vorstellungen gibt, welche Investitionen für Sinzig nachhaltig und sinnvoll sind.

Wir leben in unsicheren Zeiten. Gravierende Veränderungen passieren und weitere Veränderungen sind absehbar. Vor genau einem Jahr haben wir Karneval gefeiert, und die Vorstellung, dass der Karneval 2021 abgesagt wird, dass die boomende Tourismusbranche um ihre Existenz kämpfen muss, dass unser Einzelhandel und unsere Gastronomie monatelang schließen müssen – all das wäre uns komplett utopisch vorgekommen. Das Risiko des Klimawandels ist von einer abstrakten Warnung zu einem vor Ort erlebbaren Waldsterben geworden. Unser Wald hat bisher Erträge erwirtschaftet, nun müssen wir auf lange Zeit in dessen Anpassung an den Klimawandel investieren. Digitalisierung, künstliche Intelligenz und der demographische Wandel sind in ihren Folgen nicht absehbar. Auch das dramatische Sterben von Insekten und Vögeln verlangt unser entschiedenes Handeln.

Sie werden sich jetzt fragen, was das alles mit Sinzig zu tun hat, uns geht es doch gut. Diesen Veränderungen können wir uns aber nicht entziehen und niemand kann sagen, wie sie uns konkret betreffen. Wenn jedoch die Unsicherheit des Umfeldes steigt, wenn sich wesentliche Rahmenbedingungen ändern, dann erscheint es uns klug, unser bisheriges Verhalten zu hinterfragen und Reserven zu bilden. Schauen wir uns unter diesen Aspekten den vorliegenden Haushalt an.

Die Verwaltung hat die Beratungen diesmal sehr transparent aufbereitet und deutlich gezeigt, welche Konsequenzen unsere heutiger Beschlusses haben wird. Wir planen Investitionen, die nach dem jetzigen Planungsstand bis 2024 zu einem Schuldenstand von knapp 30 Millionen Euro führen. Die daraus resultierenden jährlichen Mehrausgaben für Betrieb und Tilgung belaufen sich dann wahrscheinlich auf 1,5 Millionen Euro. Das ist aber bei weitem nicht alles: Erhebliche notwendige Investitionen, wie der Kanal im Trifterweg, Maßnahmen im Rahmen des ISEK, Radwegekonzept und die Brückensanierung fehlen in dieser Planung.

Dem steht als Chance einzig die Hoffnung auf mehr Unterstützung durch die Landesregierung gegenüber. Auch wenn sich die Landesförderung verbessert, ist es jedoch mehr als fraglich, ob dies in der für uns notwendigen Höhe erfolgt. Statt dass wir also auf Sicht fahren und finanzielle Spielräume erhalten, häufen wir einen Schuldenberg an, der uns, vielmehr jedoch die uns nachfolgende Generation, die nächsten 20 Jahre begleiten wird. Sehr wahrscheinlich werden wir ab 2024 über viele Jahre keinen ausgeglichenen Haushalt mehr ausweisen können.

Diese Risiken sind allen Fraktionen und der Verwaltung bekannt. Dennoch haben sich die Verwaltung und die Mehrheit der Fraktionen entschieden, diesen Weg zu gehen. Verbal wollen alle sparen, verbal sind auch alle für mehr Klimaschutz. Wenn es dann aber an die Umsetzung geht, dann fehlt der Wille, die über Jahrzehnte gewohnten Wege zu verlassen und neue Schwerpunkte zu setzen. Die Gründe dafür sind klar ersichtlich: Es gilt die alte politische Weisheit – keine Experimente – sprich keine Veränderungen. Politisch mag das klug sein, ob dies den konkreten Herausforderungen gerecht wird, bezweifeln wir. Damit ist aber auch klar, wer die Verantwortung für diese Schulden trägt. Es sind der heutige Rat und die heutige Verwaltung. Es ist im Kern eine alte Politik mit alten Mitteln,  die zu Lasten der nächsten Generation geht.

Bündnis 90/Die Grünen haben in den vergangenen Wochen eine Vielzahl von Vorschlägen für Einsparungen in die Beratungen eingebracht. Bis auf wenige kleinere Vorschläge sind sie aber von unterschiedlichen Mehrheiten abgelehnt worden. Und es ist eben nicht so, dass all diese Vorhaben gesetzlich notwendig sind. Und selbst die Umsetzung der gesetzlichen Vorhaben ist gestaltbar, was Umfang und Umsetzungszeitpunkt betrifft. So kostet beispielsweise jede Kita-Gruppe in Koisdorf rund 360.000 Euro mehr als eine Gruppe im Weidenweg. Und die Standortwahl mit der fehlenden Möglichkeit zur Erweiterung erweist sich bei dem aktuell stark gestiegenen Bedarf als Fehler. Als Grüne haben wir seit Beginn der Planungen für diese neue Einrichtung im Jahr 2017 immer wieder auf diese Punkte hingewiesen.

Wir begrüßen die ausführliche Stellungnahme zum Klimaschutz, können aber die positive Beurteilung dieses Haushalts nicht teilen. Unsere Kohlendioxid-Emissionen werden durch die aktuellen Planungen weiter steigen. Für die städtischen Gebäude planen wird keine Energieplus-Häuser.  Bau und Betrieb werden deshalb einen weiteren Anstieg der Kohlendioxid-Emissionen nach sich ziehen. Und es wird sehr spannende Diskussionen geben, wenn es um die Frage geht, ob wir im Rahmen der Bauleitplanung für die vielen neuen Wohngebiete die Spielräume zur ökologischen Bebauung ausschöpfen werden oder nicht. Auch stecken nämlich große Risiken, dass sich unsere Kohlendioxid-Emissionen noch weiter in die Höhe treiben.

Es gab Positives im letzten Jahr: Eine weitere Photovoltaik-Anlage auf einem städtischen Gebäude ging in Betrieb,  nachdem die Mittel auf Antrag der Grünen umgewidmet worden waren. Und wir haben auf Antrag unserer Fraktion erste Schritte zur Evaluierung der Windkraft,  zur Nutzung des Photovoltaik-Potentials der städtischen Gebäude und der Planung für eine gemeinsame Kraft-Wärme-Kopplung im Schulzentrum auf den Weg gebracht. Das gemeinsame Vorgehen zur Sanierung unseres Thermalbades ist ein sehr positives Beispiel für eine neue Herangehensweise.

Andererseits stehen für die Digitalisierung unserer Schulen seit anderthalb Jahren 480.000 Euro Bundesmittel zur Verfügung,  die wir bis heute nicht genutzt haben. Seit Januar 2020 liegt der Verwaltung das Konzept zur Innenstadtentwicklung vor – aber die Verwaltung weitert sich bis heute, den Gremien dieses Konzept zur Diskussion vorzulegen.

Auch ein sehr gutes Konzept für eine Neuregelung des Verkehrs im Schulzentrum liegt uns vor, das den Schulweg für unsere Kinder sicherer machen soll. Verwaltung und Grüne haben sich für dessen Umsetzung eingesetzt, die Mehrheit im Rat hat diese jedoch verhindert. Ein Déjà-vu-Erlebnis zur barrierefreien Toilettenanlage lässt sich da nicht vermeiden.

Die finanzielle Stabilität dieses Haushalts hat eine mediterrane Leichtigkeit, er duftet nach Pinien, gegrillten Sardinen und Meer. Unsere Haushaltsplanung wurde aus der Sehnsucht nach dem Dolce Vita heraus geboren, wir leisten uns fast alles – und alles zugleich.

Vor allem aber hat dieser Haushaltsplan den faden Beigeschmack eines Schuldenbergs. Aber Geld kostet ja nichts, und irgend jemand wird unsere Schulden dann eines schönen Tages schon begleichen. Weiterhin investieren wir in liebgewonnene, aber nicht wirklich notwendige Projekte. Die Budgetansätze für den Klimaschutz sind weiterhin zu gering. Vor allem aber entbehrt dieser Haushaltsplan jeder finanziellen Nachhaltigkeit.

Wir Grünen lehnen diesen Haushaltsplan deshalb ab!

Pressemitteilung des Ortsverbands Sinzig von Bündnis 90/Die Grünen

Titelfoto: Klaus/kochwiki.org

 

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